Klimagipfel in Bonn – das Fazit zur Halbzeit
Noch eine knappe halbe Woche tagen die internationalen Klimadiplomaten im deutschen Bonn. Zur Halbzeit der Konferenz blicken wir auf die Ereignisse der letzten Woche zurück. Was ist passiert und worum ging es bisher auf der COP23?
Die wichtigsten Fakten auf einen Blick:
- Allgemeine Stimmung: positiv und konstruktiv
- Syrien will Paris-Protokoll ratifizieren
- Deutschland investiert 100 Mio. Euro in Anpassungsfonds und den Fonds für die am wenigsten entwickelten Länder
- Etappensieg bei Bonn-Challenge: 150 Mio. Hektar zur Renaturierung zugesagt
- Aktionsplan zu vom Klimawandel betroffenen Frauen frei zur Verabschiedung
Seit dem 6. November ist die ehemalige deutsche Hauptstadt Bonn wieder das Zentrum der Republik: Auf den Wiesen neben dem Rhein tummeln sich noch bis zum 17. November Tausende Politiker, Aktivisten, Bürger und Mitarbeiter auf der 23. Weltklimakonferenz. Das übergeordnete Thema: Innerhalb des zweiwöchigen Gipfels soll ein detailliertes Regelwerk ausformuliert werden, wie die Ziele des Paris-Protokolls von 2015 erreicht werden können. Im Zentrum der Verhandlungen stehen die Fragen, wie die Klimaschutzstrategien der einzelnen Beitrittsländer überprüft und nachverhandelt und wie die Kosten für die Anpassung an den Klimawandel gerecht zwischen Entwicklungs- und Industrienationen aufgeteilt werden können. Das Stimmungsbarometer auf der Konferenz schlägt bisher nach oben aus: Es wird gelobt, dass die Verhandlungen produktiv und konstruktiv laufen.
Der Inselstaat Fidschi, der in diesem Jahr die Präsidentschaft der COP innehat, repräsentiert auf dem internationalen Parkett die besonders vom Klimawandel betroffenen Regionen und will sicherstellen, dass diese in den Verhandlungen eine starke Stimme haben. Zudem legt das Land den Fokus auf die Arbeit nicht-politischer Akteure. Mit 9.000 Vertretern sind in diesem Jahr mehr NGOs und andere Aktivisten beim Klimagipfel als je zuvor. Im Folgenden beleuchten wir die wichtigsten Gesprächspunkte der letzten Tage.
Wie präsentiert sich Deutschland auf der COP?
Saubere Sache? Bonn als Zentrum der Kohleregion Rheinland
Als technischer Gastgeber ist es an Deutschland, auf der Klimakonferenz in Bonn klare Zeichen für den Klimaschutz zu setzen. Im Vorfeld der Konferenz wurde Kritik laut, dass die wichtigste Konferenz zum Schutz des Klimas ausgerechnet in der Region stattfindet, die die deutschen Klimaziele ad absurdum führt: nämlich inmitten des Braunkohle-Abbaugebiets im Rheinland. Kritiker wünschten sich einen offeneren und progressiveren Umgang mit dem Thema Kohle, denn obwohl die erneuerbaren Energien in Deutschland einen immer wichtigeren Posten einnehmen, basiert nach wie vor etwa ein Drittel der deutschen Energieversorgung auf dem Klima-Killer Kohle. Die COP23 bietet hier einen guten Anlass, um der Entwicklung hin zu „100 Prozent erneuerbar“ neuen Aufschwung zu verpassen. Auf vielen friedlichen Demonstrationen zum Auftakt der Konferenz sandten daher Klimaschützer aus NGOs und Bevölkerung die Botschaft an die neue Bundesregierung: Mehr Einsatz für den Ausstieg aus der Kohlewirtschaft!
Klimaschutzfinanzierung: Deutschland positioniert sich als Geberland
Hintergründe zur Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen
Im Paris-Protokoll – wie auch im Vorgängerprotokoll von Kyoto – wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die früher und stärker industrialisierten Länder eine größere Schuld am anthropogenen Treibhausgaseffekt haben als die noch heute deutlich schwächer industrialisierten Länder. Der wirtschaftliche Aufschwung der Industriestaaten fand aus heutiger Sicht gesehen auf Kosten des Klimas statt. Die Folge ist, dass insbesondere die Länder des globalen Südens schon heute zum Teil akut mit den Folgen des Klimawandels zu kämpfen haben und gleichzeitig ihre wirtschaftliche Entwicklung unter kostenintensive Klimaschutzauflagen stellen müssen, die für die Industriestaaten noch nicht galten.
Aus diesem Grund sollen die Industrienationen die weniger entwickelten Länder mit Geldern zur Anpassung an den Klimawandel unterstützen. Dabei geht es zum einen um die Reaktion auf Folgen des Klimawandels, wie Dürren, Überschwemmungen oder die Versalzung des Bodens, und zum anderen um wirtschaftliche Anpassungsstrategien sowie die Entwicklung neuer Wirtschaftszweige. Das Geld soll sich laut Paris-Protokoll aus multilateralen Klimafonds und dem Green Climate Fonds speisen. Außerdem sollen für Treibhausgasminderungen in den weniger und am wenigsten entwickelten Ländern laut Protokoll ab 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar zur Verfügung stehen. Ab 2025 soll dieser Betrag weiter angehoben werden.
Gleich zu Beginn der Konferenz setzte die Bundesregierung ein Zeichen, dass Deutschland als eines der industrialisiertesten Länder der Welt seiner Verantwortung für den Fortschritt des Klimawandels nachkommen will. Bundesumweltministerin Hendricks kündigte am ersten Verhandlungstag an, weniger industrialisierte, aber bereits vom Klimawandel betroffene Staaten mit insgesamt 100 Millionen zusätzlichen Euro bei der Anpassung an den Klimawandel zu unterstützen. 50 Millionen Euro fließen dabei in den 2001 vereinbarten Anpassungsfonds im Rahmen des Clean Development Mechanism und weitere 50 Millionen Euro werden dem „Least Developed Countries Fund (LDCF)“ zur Verfügung gestellt, der gezielt die ärmsten Länder bei der Klimaanpassung unterstützt.
Klimaschutz und Renaturierung
Die Verhandlungen auf Klimakonferenzen richten sich zu großen Teilen stark in die Zukunft: Wie soll der Klimaschutz ab einem bestimmten Datum aussehen? Wie können ab diesem Stichtag Erfolge kontrolliert und geprüft werden? Insbesondere die bereits stärker vom Klimawandel betroffenen Staaten fordern daher, dass der Fokus auch auf den Klimaschutzbemühungen im Hier und Jetzt liegen sollte. Eines dieser bereits jetzt wirksamen Projekte ist die 2011 von Deutschland gemeinsam mit der internationalen Naturschutzunion IUCN (International Union for Conservation of Nature) und der GPFLR (Global Partnership on Forest and Landscape Restoration) initiierte „Bonn Challenge“. Ziel der Bonn Challenge ist die Wiederherstellung entwaldeter und erodierter Flächen. Bis zum Jahr 2020 sollen im Rahmen des Projektes 150 Millionen Hektar Grün- und Waldflächen renaturiert werden, bis 2030 sogar 350 Millionen Hektar – das entspricht in etwa der vierfachen Fläche von Deutschland. Zusätzlich soll die Entwaldung für die Herstellung von landwirtschaftlichen Produkten, wie Palmöl oder Viehzucht, gestoppt werden.
Auf diese Weise werden nicht nur natürliche Kohlenstoffdioxid-Senken wiederhergestellt, sondern auch die Biodiversität geschützt und Arbeitsplätze im ländlichen Raum geschaffen. In der ersten Halbzeit der COP23 wurde nun ein Etappensieg verkündet: 26 Länder haben sich der Challenge bisher angeschlossen und Zusagen für den Wiederaufbau von insgesamt mindestens 150 Millionen Hektar Wald gemacht. Besonders großes Engagement kommt dabei von Seiten asiatischer Staaten, wie Indonesien, China oder Pakistan, sowie süd- und lateinamerikanischer Staaten wie El Salvador, Honduras oder Panama. In Afrika arbeiten unter anderem Äthiopien und Liberia an der „Great Green Wall Initiative“, die mit wiederaufgebauten Wäldern die Ausbreitung der Sahara eindämmen soll.
Deutschland, die Marshall-Inseln und die Schifffahrt
Die Marshall-Inseln sind neben Fidschi ein weiterer Inselstaat, der bereits jetzt stark vom steigenden Meeresspiegel betroffen ist. Daher gehen die Marshall-Inseln, wie auch Fidschi, mit sehr ehrgeizigen und beispielhaften Klimaschutzzielen voran: Obwohl die Inselgruppe ihren Energiebedarf zu 90 Prozent aus Exporten deckt, will sie in absehbarer Zeit auf 100 Prozent erneuerbare Energien umsteigen. Die größte Herausforderung dabei: Die Schifffahrt ist der wichtigste und stärkste Wirtschaftszweig des Inselstaates – gleichzeitig sind die mit Schweröl angetriebenen Schiffe die größten Treibhausgas-Verursacher. Gemeinsam mit Deutschland als Geberland wurde während der ersten Hälfte des Klimagipfels ein Projekt zur Stärkung emissionsfreier Schifffahrt gestartet. Die Inseln erhalten dafür 9,5 Millionen Euro aus den Töpfen der Internationalen Klimaschutzinitiative der Bundesregierung. Das Projekt soll Pilotcharakter haben und einen Beitrag zu den Verhandlungen mit der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation (IMO) über die Verminderung der Emissionen im Schiffverkehr leisten.
Klimaschutz made in USA – wie geht es weiter unter Trump?
Nachdem der letzte US-Präsident Barack Obama im vergangenen Jahr das Paris-Protokoll unterzeichnet und ratifiziert hatte, kündigte sein Nachfolger Donald Trump nach seiner Amtsergreifung im Frühjahr 2017 an, aus dem Paris-Protokoll auszutreten. Seine Kritik am Klimavertrag: Die finanziellen Forderungen des Protokolls an die Industrienationen seien „unfair“ und würden die Vereinigten Staaten wirtschaftlich benachteiligen. Es wurde daher gespannt erwartet, wie sich die USA auf der COP23 in Bonn präsentieren würden. Das große Bangen blieb bisher unbegründet: Die US-amerikanische Repräsentanz gab sich in der letzten Woche am Verhandlungstisch unauffällig – verhandelte aber durchaus mit: Sie steht für transparente und gleiche Regeln für Industrie- und Entwicklungsländer und behält somit im Grunde ihre Haltung der letzten Jahre bei.
Das Halbzeitwochenende wurde dann vor allem von bundesstaatlichen und zivilgesellschaftlichen US-Akteuren genutzt, um der Welt die Botschaft „we are still in!“ zu übermitteln. Neben dem bekannten Klimaschutz-Aktivisten und ehemaligen US-Vizepräsident Al Gore waren der ehemalige Bürgermeister New Yorks, Michael Bloomberg, der kalifornische Gouverneur Jerry Brown und dessen Vorgänger Arnold Schwarzenegger zu Gast auf dem Klimagipfel, um ihre Unterstützung für mehr Klimaschutz und den Ausbau der Energiewende zu signalisieren.
In diesem Interview äußert sich Arnold Schwarzenegger zur Energiewende in der Automobilindustrie.
COP23 – um was ging es sonst noch?
Full House beim Paris-Protokoll: Alle 197 Staaten sind dabei
Am zweiten Tag der Konferenz machte die Nachricht die Runde, dass mit Syrien nun der letzte der COP-Staaten den Weltklimavertrag von Paris ratifizieren möchte. Sollte US-Präsident Donald Trump den Ausstieg aus dem Protokoll wahrmachen, wären die USA das einzige Land, das das Abkommen boykottiert – und somit aller Wahrscheinlichkeit nach in isolierter Position.
Aktionsplan: Klimawandel und Frauenrechte
Neben konkreten Klimaschutzmaßnahmen wurde auf der COP23 außerdem hervorgehoben, dass gerade Frauen in den sogenannten Entwicklungsländern besonders stark vom Klimawandel betroffen sind. Die Gründe dafür sind zum einen, dass Frauen in vielen Teilen der Welt nach wie vor über weniger oder gar kein eigenes Einkommen verfügen und deswegen beispielsweise von Nahrungsmittel- oder Energiepreiserhöhungen stärker betroffen sind als Männer. Zudem sind viele Frauen für die Versorgung der Familie sowie den Anbau von Lebensmitteln zuständig. Durch die Folgen des Klimawandels, wie Dürren, Überschwemmungen oder unfruchtbare Böden, erhöht sich ihre Arbeitsbelastung immens.
Zum Auftakt der zweiten Verhandlungswoche hat der Präsident der COP23 und Premierminister von Fidschi, Frank Bainimarama, verkündet, dass sich die internationale Staatengemeinschaft auf einen neuen Gender-Aktionsplan geeinigt hat. Die Rolle von Frauen im Klimaschutz soll durch den Plan hervorgehoben und stärker im Alltag der Klimaverhandlungen bedacht werden. Der Aktionsplan ist nun zur Verabschiedung freigegeben. Nazhat Shameen Khan, Hauptverhandlungspartner der COP23-Präsidentschaft, erklärte in einer Pressemitteilung zu dem Dokument: „Es geht um die Geschlechterintegration in die Arbeit rund um die Klimapolitik – sowohl national als auch international.“
Kritik: zu wenig Integration indigener Repräsentanten
Obwohl mit Fidschi ein Land die Präsidentschaft übernommen hat, das besonders die Interessen kleinerer Staaten in den Vordergrund stellen möchte, wurde in der ersten Verhandlungswoche Kritik laut, dass die Vertreter indigener Völker bisher zu wenig in die Verhandlungen mit einbezogen wurden. „Die Repräsentanten indigener Völker, die aus allen Teilen der Welt angereist sind, kommen nicht zu Wort. Sie warten seit Tagen dringend darauf, als gleichwertige Verhandlungspartner einbezogen zu werden“, so Eliane Fernandes Ferreira von der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV).
Zweite Halbzeit auf der COP23: Wie geht es jetzt weiter?
Bisher könnten die Verhandlungen auf dem Klimagipfel unter „Vorarbeit“ subsumiert werden. Ab Mittwoch, dem 15. November, reisen dann die Staatsoberhäupter in Bonn an, um sprichwörtliche Nägel mit Köpfen zu machen. Verbindlich festgelegt werden muss beispielsweise noch, wie der Kohlendioxid-Ausstoß der Länder künftig gemessen und angegeben wird. Am Ende dieser Woche soll das Regelwerk zur Umsetzung der Ziele von Paris so weit im Detail ausformuliert sein, dass es auf der kommenden Klimakonferenz im polnischen Katowice verabschiedet werden kann.
Sie möchten wissen, wie es weiterging auf der COP23? Wir haben die wichtigsten Ergebnisse der Konferenz für Sie zusammengestellt.
Autorin: Laura Wagener (Freie Redakteurin)