Mieterstrom – Modelle, Beispiele und Potenziale

19.05.2025 Lesedauer: min Minh Duc Nguyen

Mieterstrom ist vor Ort erzeugter Strom, der günstig und sauber genutzt werden kann. Wie das in der Praxis funktioniert und mit welchen Hürden Anlagenbesitzer*innen zu kämpfen haben, erfahren Sie in diesem Artikel. Mit echten Daten aus der Praxis!

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Würde sich Photovoltaik auf Ihrem Dach lohnen? Was bringt ein Speicher in Ihrem Fall? Finden Sie heraus, mit welchen Erträgen Sie rechnen können:

Die wichtigsten Fakten auf einen Blick

  • Mieterstrom ist für Mietenden in der Regel günstiger
  • Für Anbieter kann es je nach Voraussetzung wirtschaftlich sein
  • Viele Softwareanbieter erleichtern die Abrechnungen
  • Ausbau von Mieterstrom stockt weiterhin

Das Herz der Energiewende steht im hell beleuchteten Wirtschaftsraum, ist pechschwarz, 2.100 Millimeter hoch, 800 breit und 600 tief. Im Inneren werkelt ein Wechselrichter mit einer Nennleistung von 30 kW leise vor sich hin. Daneben steht Jan Wollesen: Bauingenieur, überzeugter Energiewendevorantreiber und seit Kurzem Energieversorger für fünf Parteien.  

Jan Wollesen neben dem Stromspeicher

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Das schwarze Ungetüm neben ihm, das den 1,90 Meter großen Mann so klein erscheinen lässt, ist ein Stromspeicher mit einer nutzbaren Kapazität von 33 kWh und einer Leistung von 30 kW. Hier wird der Strom vom Dach, der von einer 21,5 Kilowatt Peak großen PV-Anlage erzeugt wird, zwischengespeichert und voll automatisiert an die Mietparteien weitergeleitet.

Das Konzept dahinter ist nicht neu. Aber erst mit dem Inkrafttreten des sogenannten Solarpaket I im Sommer 2024 rückt es mehr und mehr in den Fokus. Die Rede ist vom Mieterstrom.

Was ist Mieterstrom?

Mieterstrom ist ein Energieversorgungsmodell, bei dem der Strom direkt vor Ort, zum Beispiel durch eine Photovoltaikanlage auf dem Dach eines Mietshauses, erzeugt und den Mieter*innen im selben Gebäude oder Wohnkomplex bereitgestellt wird. Der Strom fließt dabei nicht durch das öffentliche Stromnetz, sondern wird lokal genutzt. Das spart Netzgebühren, Umlagen sowie andere Abgaben und entlastet das Netz.

Merkmale von Mieterstrom

Es gibt unterschiedliche Formen von Mieterstrom, die wiederum folgende Gemeinsamkeiten haben:  

  • Lokale Erzeugung: Strom wird in der Nähe der Verbraucher*innen, z. B. durch Solarenergie, produziert. Ergänzend können Blockheizkraftwerke (BHKWs) oder andere Technologien zum Einsatz kommen.
  • Direkte Versorgung: Der Strom wird direkt an die Mieter*innen geliefert, ohne Umweg über das öffentliche Netz.
  • Preisvorteil: Der Mieterstrom ist günstiger, da ein Großteil des erforderlichen Stroms günstig & grün erzeugt wird. Für diesen Anteil fallen keine Netzentgelte & Co an.
  • Rechtliche Grundlage: In Deutschland regelt das Mieterstromgesetz (2017) die Förderung von Mieterstrommodellen.

Mieterstrom im Jahr 2025

Für Betreibende und Abnehmende von Mieterstrom ist 2025 ein gutes Jahr, vor allem in Bezug auf das Solarpaket 1, das die Nutzung von Mieterstrom vielfältig vereinfacht. Zu den wichtigsten Änderungen zählen:  

  • Mieterstrom wird jetzt auch auf gewerblichen Gebäuden und Nebenanlagen wie Garagen gefördert, solange der Stromverbrauch ohne Netzdurchleitung erfolgt.  
  • Die Weitergabe von PV-Strom an Wohn- oder Gewerbemieter*innen oder Wohnungseigentümer*innen wird weitestgehend von Lieferantenpflichten ausgenommen.
  • Die Betreiber der PV-Anlage sind von der Pflicht zur Reststromlieferung befreit.
  • Nebenanlagen des Gebäudes können für die Installation der PV-Anlage ebenso genutzt werden wie Stromspeicher zur Zwischenspeicherung des Stroms.
Mehr dazu im Infoblatt vom BMWK

Zwischenspeicherung von Graustrom

Stromspeicher sind unter gewissen Rahmenbedingungen seit 2025 zur Zwischenspeicherung von Graustrom freigegeben, ohne das EEG-Privileg zu verlieren. Das ist vor allem interessant für die Nutzung von variablen Stromtarifen und niedrigeren Netzentgelten nach Paragraf 14a.

Lohnt sich Mieterstrom?

Die Wirtschaftlichkeit von Mieterstrom hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter die Größe der Anlage, rechtliche Rahmenbedingungen, Fördermöglichkeiten und die spezifischen Gegebenheiten des Gebäudes. Sowohl für Vermietende als auch für Mieter*innen kann Mieterstrom lohnenswert sein, wenn die Voraussetzungen stimmen. Das sind beispielsweise:  

  • Große Mietshäuser: Je mehr Parteien versorgt werden, desto höher die Wirtschaftlichkeit.
  • Hohe Förderquoten: Durch die Mieterstromförderung und regionale Zuschüsse kann die Rentabilität erheblich gesteigert werden.
  • Geringe Alternativen: In Gebieten mit hohen Strompreisen ist der Preisvorteil besonders attraktiv.

Nicht zuletzt hängt die Antwort auch von der Form des Mieterstroms ab. In der Praxis sind die folgenden zwei Mieterstrommodelle häufig vorzufinden.

  • Grundmodell mit EEG-Mieterstromzuschlag und Einspeisevergütung
  • Lieferkettenmodell

Mieterstrommodell mit EEG-Zuschlag und Einspeisevergütung

Bei diesem Modell ist der/die Anlagenbetreiber*in und Stromlieferant eine Person. Brauchen die Mieter*innen mehr Strom, als die PV-Anlage auf dem Dach liefern kann, muss der/die Anlagenbetreiber*in ihn extern dazukaufen. Außerdem hat er als Stromlieferant diverse Pflichten zu erfüllen. Der Aufwand kann sich aber lohnen: Denn er kann den Strom, der vor Ort nicht genutzt wird, ins öffentliche Netz einspeisen und bekommt dafür Geld. Außerdem bekommt er vom Netzbetreiber noch den sogenannten Mieterstromzuschlag. Wie das Modell funktioniert, zeigt die nachfolgende Infografik:

Grundmodell mit EEG-Mieterstromzuschlag und Einspeisevergütung.

Mieterstrom nach dem Lieferkettenmodell

Im Unterschied zum Grundmodell kann der/die Anlagenbetreiber*in bei dieser Variante den Mieterstromzuschlag auch dann erhalten, wenn er den Strom aus seiner Solaranlage (ohne Netzeinspeisung) innerhalb der Kundenanlage an einen Dritten überträgt. Dieser Dritte übernimmt nachweislich die Weitergabe des Stroms unter Einhaltung der Anforderungen für den Mieterstromzuschlag an die teilnehmenden Mieterstromkund*innen und fungiert dabei als verantwortlicher Stromlieferant. Wie das Ganze funktionieren kann, zeigt die nachfolgende Infografik:

Grafik: Modell für Lieferketten bei Mieterstrom.

Weitere Mieterstrom-Modelle

Neben diesen beiden Modellen gibt es noch weitere Möglichkeiten, den Strom vor Ort zu nutzen.  

  • Direktvermarktung: Der Anlagenbesitzer kann den selbst erzeugten Strom an die Mieter*innen verkaufen. Die Mieter*innen haben aber weiterhin einen Vertrag mit einem regulären Stromversorger, der den restlichen Strombedarf deckt. In diesem Fall hat der Anlagenbesitzer keinen Anspruch auf Mieterstromzuschlag.
  • Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung: In diesem Fall gehört die PV-Anlage nicht einer Person, sondern einer Personengruppe, meist den Bewohner*innen eines Gebäudes. Der erzeugte Strom wird direkt vor Ort verbraucht. Die Bewohner*innen decken den Restbedarf mit einem individuellen Liefervertrag.  
  • Genossenschaftsmodell: Vermieter*innen oder Eigentümer*innen haben die Möglichkeit, eine Genossenschaft zu gründen, an der auch Mieter*innen beteiligt sein können. Dieses Modell erlaubt es, bis zu 30 Prozent der Einnahmen aus Mieterstrom steuerbegünstigt zu generieren. Es stärkt die gemeinschaftliche Beteiligung und bietet steuerliche Vorteile bei der Umsatz-, Gewerbe- und Körperschaftssteuer.

Erfahrungen einer Hausgemeinschaft

Jan Wollesen hat den Batterieraum mittlerweile wieder verlassen und geht durch den Hausflur. Es herrscht Stille, obwohl die Uhr 17:20 zeigt und viele Hausbewohner*innen wieder zu Hause sind. Er erzählt, wie es dazu kam, dass aus einem ehemaligen Einfamilienhaus aus dem 1960er-Jahren ein super gedämmtes, schalldichtes KfW-Effizienzhaus-40-EE-Gebäude wurde und dass das Thema Mieterstrom von Anfang an eine wichtige Rolle eingenommen hatte. „Wir haben versucht, das Haus so zu gestalten, dass die Mieter*innen den höchstmöglichen Nutzen aus der Energiewende vor Ort ziehen können“, sagt Wollesen.

Jan überprüft die Monitoring-Daten zum Stromverbrauch

Damit das reibungslos funktioniert und er selbst nicht den halben Tag mit Abrechnungen, Exceltabellen und Reportings verbringen muss, überlässt er diese Arbeiten spezialisierten Anbietern wie Solarize, Metiundo und Co. Der dynamische Restrombezug erfolgt über die lokalen Stadtwerke Lippstadt. Er ist aber weiterhin Anlagenbesitzer und Stromversorger in einem und jederzeit für alle Mietenden ansprechbar.

Beispielrechnung für Mieterstrom

Ob sich das Ganze wirtschaftlich lohnt? Feststeht: Je nach Zählerkonzept können sich die Parameter ändern. Für diesen Artikel hat Jan Wollesen daher die Zahlen so angepasst, sodass sie die Realität bestmöglichst abbilden. 

  • Einnahmen aus Mieterstrom: 2.995 Euro
  • Einnahmen aus Mieterstromzuschlag: 343 Euro
  • Einspeisevergütung: 516 Euro
  • Gesamteinnahmen: 3.854 Euro – 1.000 Euro Betriebskosten = 2.854 Euro
  • Die Anschaffungskosten betragen rund 40:000 Euro
  • Amortisation: 40.000 Euro / 2.854Euro = 14 Jahre 

Die hier genannten Angaben dienen in erster Linie der Orientierung und können in der Praxis unterschiedlich ausfallen. Für die Berechnungsgrundlage wurden folgende Annahmen genutzt:

­Annahmen

Für mehr Informationen bitte scrollen bzw. ziehen

21,5
kWp installierte Leistung
19.995
kWh solarer Ertrag
66%
Anteil Direkt-/Batterielieferung vor Ort
13.197
kWh Direkt-/Batterielieferung vor Ort
6.798
kWh Netzeinspeisung (Überschuss)
2,60
ct/kWh Mieterstromzuschlag
7,60
ct/kWh Einspeisevergütung
22,7
ct/kWh Mieterstrom (PV, netto)
Eine Übesicht an einer Beispielrechnung für Mieterstrom

Förderung für Mieterstrom

Wie in der Beispielrechnung zu erkennen, wird der Mieterstrom vom Staat finanziell unterstützt. Den sogenannten Mieterstromzuschuss erhalten alle Anlagenbebetreiber*innen 20 Jahre lang, wenn:  

  • die PV-Anlage eine max. Leistung von 1.000 Kilowatt hat,  
  • auf oder an dem Wohngebäude installiert und bei der Bundesnetzagentur registriert ist,
  • die Inbetriebnahme mit oder nach dem Inkrafttreten des Mieterstromgesetzes (25. Juli 2017) erfolgte,
  • der Mieterstrom an Bewohner*innen des Gebäudes oder eines angrenzenden Gebäudes geliefert wird,
  • der Strom für den Verbrauch im Gebäude nicht in das öffentliche Netz eingespeist wird.

Die Zuschlagshöhe ändert sich regelmäßig und kann jederzeit online eingesehen werden. Für Anlagen, die vom 01.08.2024 bis 31.01.2025 in Betrieb genommen wurden, gelten folgende Fördersätze:

Für mehr Informationen bitte scrollen bzw. ziehen

Installierte Leistung (kW) bis
Höhe des Mieterstromzuschlags (ct/kWh)
(§ 48a EEG 2023)
10
2,62
40
2,43
100
1,64
500
1,64
1.000
1,64
Übersicht der Förderungen für Mieterstrom

Einspeisevergütung für Solaranlagen – mit und ohne Mieterstrom

Die zweite Fördersäule für Anlagenbetreiber*innen ist die Einspeisevergütung. Ähnlich wie der Mieterstromzuschlag orientiert sie sich an der installierten Leistung und dem Datum der Inbetriebnahme.

Für Anlagen, die vom 01.08.2024 bis 31.01.2025 in Betrieb genommen wurden, gelten folgende Fördersätze:

Für mehr Informationen bitte scrollen bzw. ziehen

Installierte Leistung (kW) bis
Teileinspeisung (ct/kWh)
Volleinspeisung (ct/kWh)
10
8,03
12,73
40
6,95
10,68
100
5,68
10,68
Ein Überblick der Einspeisevergütung für Solaranlagen – mit und ohne Mieterstrom

Nicht zuletzt wird der Kauf einer PV-Anlage indirekt gefördert. So können Interessent*innen über die staatliche KfW-Bank einen Kredit zu vergleichsweise niedrigen Zinsen aufnehmen. Das Programm 270 „Erneuerbare Energien – Standard“ dient der Finanzierung von Photovoltaikanlagen und Batteriespeichern – einzeln oder zusammen. Ausführliche Informationen dazu finden Sie im dazugehörigen Artikel:

Zum Artikel: Photovoltaik-Förderung

Der Ausbau von Mieterstrom stockt

Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Köln ist das Potenzial von Mieterstrom riesig: Bis zu 14,3 Millionen Haushalte in 1,9 Millionen Mehrfamilienhäusern können von Mieterstrommodellen profitieren. Soweit die Theorie. In der Realität liegt die Zahl der Mieterstromanlagen Ende 2024 bei knapp 9.000. Dafür gibt es gleich mehrere Gründe.

Technische Anforderungen und rechtliche Hürden

Je nach Mieterstrommodell müssen die Anlagenbetreiber*innen diverse Soft- und Hardware in Einklang bringen. Wer nicht besonders technikaffin oder -versiert ist, kann sich dabei schnell überfordert fühlen. Aber auch für Technikbegeisterte gilt: Bevor sie den ersten Euro mit Mieterstrom verdienen, müssen sie Zeit und Geld investieren. Hinzu kommt, dass der Mieterstromvertrag nicht an den Mietvertrag gekoppelt werden darf (Kopplungsverbot). Das bedeutet, auch wenn der oder die Vermieter*in günstigen Strom vom Dach anbietet, müssen die Mieter*innen das Angebot nicht annehmen.

Erfolgreiche Mieterstromprojekte machen Hoffnung

Einen Lichtblick bieten bislang erfolgreich umgesetzte Projekte, zum Beispiel aus Berlin, Düsseldorf oder aus München. Hierbei handelt es sich meist um größere Objekte mit über 1.000 Wohnungen. Kleinere Objekte mit Mieterstrom sind bislang noch eine Seltenheit.

Jan Wollesen vor seinem Haus

Energiewende im kleinen Maßstab – Wollesen ist dabei

Langsam geht die Sonne über Lippstadt unter. Jan Wollesen greift zum Smartphone, öffnet die App und schaut ein letztes Mal auf den Solarertrag des Tages. Knapp 50 Kilowatt hat die Anlage heute produziert. Kein schlechter Wert für einen Frühlingstag. Ein Blick nach draußen auf die Dächer der Nachbar*innen zeigt: Hier in der beschaulichen Wohnsiedlung spielt Solarstrom eine große Rolle. Auf einigen Dächern sind bereits Solaranlagen installiert. Weitere sollen in den nächsten Monaten folgen. Ob sich die Nachbar*innen von ihm haben inspirieren lassen? Jan Wollesen lächelt.

Wie Jan Wollesen zu seiner Entscheidung gekommen ist und welche Hürden er dabei überwinden musste, erzählt er im dazugehörigen Erfahrungsbericht. 

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Minh Duc Nguyen

Über den Autor

Minh Duc Nguyen

Minh Duc Nguyen ist seit 2020 Teil der co2online-Redaktion. Er ist besonders vertraut mit dem Thema Heizung im Allgemeinen, sowie Brennwertkessel und Wärmepumpe im Besonderen. Darüber hinaus gehört der Bereich staatliche Fördermittel für Wohngebäude zu seiner Expertise.

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