„Ökologisch und regional essen ist das Beste”
Wie kann man sich klimaschonend, nachhaltig und dennoch günstig und gesund ernähren? Ist öko gleich klimafreundlich? Wir haben Frau Dr. Julika Weiß, Expertin für Klima und Konsum am Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), zum Thema Ernährung und Klima befragt.
Sind Bioprodukte klimafreundlicher als konventionell erzeugte?
Dr. Weiß: In der Regel ja. Dies gilt jedoch nicht in jedem Fall, da es Unterschiede zwischen den einzelnen Produktgruppen gibt. Beim Anbau von Weizen und Gemüse ist es sehr einfach: Der Düngemitteleinsatz in der konventionellen Landwirtschaft ist sehr klimawirksam, da insbesondere viel Lachgas emittiert wird. Deshalb sind Gemüse und Getreide aus ökologischem Landbau klimafreundlicher.
Schwieriger wird es bei tierischen Produkten: Der ökologische Futtermittelanbau ist klimafreundlicher als der konventionelle, aber vor allem bei der Erzeugung von Rindfleisch muss es nicht so sein: In der ökologischen Landwirtschaft handelt es sich um eine extensive Tierhaltung, das heißt, die Tiere legen in der Regel langsamer an Gewicht zu. Dadurch benötigen sie insgesamt mehr Futtermittel und bei den Wiederkäuern wird aufgrund der längeren Lebenszeit mehr Methan emittiert. Das ist ein sehr klimarelevantes Gas. In einer unserer Studien haben wir beispielsweise verschiedene Produktionswege von Milch angeschaut. Das Ergebnis: Ökologische Betriebe stehen in der Regel besser da als konventionelle Betriebe, aber Milch von fortschrittlichen konventionellen Bauernhöfen kann klimafreundlicher sein als von einem durchschnittlichen Biohof.
Regional einkaufen und ökologisch essen
Regionale Produkte oder Bioprodukte – was ist besser fürs Klima?
Dr. Weiß: Diese Frage lässt sich nicht so einfach beantworten. Vergleicht man z. B. regionale Tomaten mit Bio-Tomaten aus Spanien, muss man darauf achten, wie viele Emissionen beim Transport und wie viele beim Anbau entstehen. Die Klimabilanz ist besonders schlecht, wenn die Produkte aus dem beheizten Treibhaus oder mit dem Flugzeug kommen. Das Beste ist, ökologisch und regional zu essen.
Gibt es weitere Vorteile der ökologischen Landwirtschaft?
Dr. Weiß: Auf jeden Fall. Die ökologische Landwirtschaft trägt zu einer artgerechteren Tierhaltung und zu mehr Biodiversität bei. Außerdem hilft sie, einen Nährstoffüberschuss in den Gewässern (Eutrophierung) zu vermeiden: Der Dünger der konventionellen Landwirtschaft wird ausgewaschen, die Gewässer kippen dann um, weil sie zu viele Nährstoffe enthalten. So kommt es z. B. zur so genannten Algenblüte. Da in der ökologischen Landwirtschaft weniger gespritzt wird, sind Bio-Lebensmittel auch gesünder, da sie nicht so viele Pestizide enthalten.
Ökologisch korrekt Essen muss nicht teurer sein
Ist eine klimafreundliche Ernährung teurer?
Dr. Weiß: Es kommt darauf an, was die Ausgangsernährung ist. Biolebensmittel sind natürlich meist teurer als konventionelle Produkte. Aber klimafreundlich heißt nicht nur bio, sondern auch, den Konsum tierischer Produkte zu verringern. Das ist der zentrale Punkt.
Regionale und saisonale Produkte sind auch günstiger als solche, die aus dem Treibhaus kommen oder eingeflogen werden. Wenn ich diese drei Aspekte vereine – bio, regional und saisonal – und meinen Konsum an tierischen Produkten senke, muss eine klimafreundliche Ernährung nicht teurer sein.
An was kann man sich halten, will man etwas über den CO2-Fußabdruck eines Produkts erfahren?
Dr. Weiß: In Deutschland gibt es kein CO2-Label. Ich kann jedoch auf einen ökologischen Anbau und die Herkunft des Produkts achten. Schnell verderbliche Lebensmittel sind wahrscheinlich eingeflogen, daher eher weniger klimafreundlich. Dann kann ich über die Produktgruppen gehen. Grundsätzlich gilt: Tierische Produkte sind klimaschädlicher. Innerhalb dieser Gruppe schneidet Rindfleisch schlechter ab, Schweinefleisch und Geflügel hingegen besser. Man kann sich Grundwissen aneignen und sich daran orientieren.
CO2-Labeling bei Lebensmitteln ist komplex und schwer umzusetzen
Welche Faktoren spielen bei der Klimabilanzierung eine Rolle?
Dr. Weiß: Man macht eine komplette Lebenszyklusbilanzierung vom Anbau bis zur Entsorgung. Zum Beispiel Milch: Es fängt an beim Futtermittelanbau für die Kühe, ihre Stallhaltung, die Verarbeitung zu Käse – oft wird das Produkt dabei mehrfach hin- und hertransportiert und Molke sowie Milcheiweiß extrahiert. Das fertige Produkt wird dann wieder ins Großlager und zum Einzelhandel transportiert. Noch komplizierter wird es, wenn man noch den Konsum im Haushalt mitberücksichtigt: Wird mit dem Auto eingekauft? Wie wird das Produkt gekühlt? Wie wird das Essen zubereitet? Wie viele der Lebensmittel werden schlecht und weggeworfen?
Ein großes Problem sind auch Koppelprodukte: Milchkühe werfen einmal im Jahr ein Kalb – wie verteilt man die Klimabilanz auf die beiden Produkte Fleisch und Milch? Das Verfahren ist hochkomplex und macht ein CO2-Labeling von einzelnen Lebensmitteln äußerst schwierig.
Mehr Anregungen für nachhaltigeren Konsum finden Sie in dem Artikel Tipps für eine klimafreundliche Ernährung.
Dieses Interview wurde im Februar 2014 durchgeführt.
Autorin: Karin Adolph