Versorgungssicherheit bei erneuerbaren Energien

Welche Folgen hat die Energiewende für die Stromversorgung? Wie können die Ziele der Energiewende erreicht werden? Und was tun, wenn erneuerbare Energien nicht ausreichen? Prof. Dr. Stefan Schaltegger, Leiter des Centre for Sustainability Management (CSM) sowie des MBA Sustainability Management, und Damian Arikas, wissenschaftlicher Mitarbeiter des CSM, Leuphana Universität Lüneburg, beantworten diese Fragen.

Solaranlage und Windkraftanlagen.(c) www.iStock.com / Drazen_

Windgas.

Doch was tut man bei dunkler Windflaute? Was passiert, wenn zwar der Ausbau der erneuerbaren Energien weiter erfolgreich vorangeht, es aber zu längeren Phasen ohne Sonne und Wind kommt?

Deutschland besitzt nicht die topografischen Möglichkeiten wie beispielsweise Norwegen oder die Alpenländer, um die bereits sehr effizienten Pumpspeicherkraftwerke im großen Stil umzusetzen. Auch in den Alpenländern sind dem Ausbau deutliche Grenzen gesetzt. Gleichzeitig muss Strom immer zur Verfügung stehen. Dies kann durch folgende Maßnahmen erreicht oder verbessert werden:

Maßnahmen bei dunkler Windflaute

Vereinfachung des Stromhandels durch einen effizienteren Strombinnenmarkt: Ein effizienter europäischer Strombinnenmarkt für erneuerbare Energien ermöglicht eine raschere und einfachere spontane Nutzung vorhandener Speichermöglichkeiten und unterschiedlicher Wetterlagen (bei Flaute und Wolken im Norden herrscht vielleicht am Mittelmeer guter Wind mit Sonne).

Power-to-gas/Windgas und andere neue Speichertechnologien: Unter den zahlreichen Methoden, die zur Stromspeicherung erforscht werden, ist Windgas ein sehr viel versprechender Ansatz. Hierbei wird nicht benötigter Strom in Wasserstoff und im zweiten Schritt unter Zugabe von CO2 in Methan umgewandelt. Dieses kann dann einfach im bestehenden Gasnetz gespeichert werden. Noch ist die Marktreife nicht gesichert (d. h. der Wirkungsgrad ist eingeschränkt und die Technologie ist im bisher kleinen Maßstab noch teuer) und es sind intelligente Lösungen für die Methanisierung des Wasserstoffs – z. B. bei der Herkunft des dafür erforderlichen CO2 – erforderlich. Es ist allerdings besser, mit geringem Wirkungsgrad Gas zu produzieren als – wie es zur Zeit geschieht und vom Energiewirtschaftsgesetz vorgeschrieben ist – Windräder vom Netz zu nehmen, sobald die fossilen Grundlastkraftwerke maximal heruntergefahren (nicht aus) sind. Durch mehr (Wind-)Gaskraftwerke könnten diese alten und klimaschädlichen Stromproduktionskapazitäten ganz heruntergefahren werden.

Vorhalten moderner Gaskraftwerke: Zumindest für den Übergang dürften moderne Gaskraftwerke mit fossilem Gas betrieben werden. Diese Kraftwerke rechnen sich im jetzigen Strommarktsystem kaum, weshalb eine Vorhalteprämie für solche Kraftwerke notwendig ist. In Fachkreisen wird daher seit einiger Zeit eine Reform des Strommarktmodells diskutiert. Konkret geht es dabei um die Einführung von Kapazitätsmärkten (die finanzielle Unterstützung für die Bereitstellung von Kapazitäten), die das Vorhalten von Regelenergie bezuschussen. Es gibt verschiedene Modelle der Ausgestaltung. Im Sinne von Klimaschutz und Energiewende sowie auch, um alte Kraftwerke nicht mit zu fördern, sollten diese Kapazitätsmärkte selektiv gestaltet sein. Mehr dazu in der Germanwatch-Studie „Kapazitätsmärkte” (PDF, 1,2 MB).

Gibt es Versorgungssicherheit mit erneuerbaren Energien?

Demand Side Management: Dem Problem eines unausgewogenen Strombedarfs kann mit „Demand Side Management” begegnet und damit das Energiesystem entlastet werden. Der wesentliche Punkt hierbei ist, den Energieverbrauch zu entzerren – hauptsächlich indem Strom dann günstiger wird, wenn die Nachfrage gering ist und umgekehrt. Die flächendeckende Einführung von nach Tageszeit wechselnden Tarifen wäre hierfür ein erster positiver Schritt. Smart Grids auf Verteilernetzebene und eine intelligente Steuerung beispielsweise von Industrieanlagen sind weitere Möglichkeiten. Oft genannte Beispiele hierfür sind das nächtliche Waschen oder das Laden des E-Mobils zu Zeiten, in denen viel Strom im Netz ist.

Das bewusste Herauf- und Herunterfahren von Großstromverbrauchern, wie z. B. Kühlhäusern, zu besonders kritischen Zeiten und gegen angemessene Entschädigung kann ebenfalls eine sinnvolle Maßnahme sein. Sie ist gegebenenfalls auch billiger, einfacher und wirtschaftlich wie ökologisch sinnvoller als der Bau und Betrieb zusätzlicher Grundlastkapazitäten, die effektiv nur wenige Stunden im Jahr gebraucht werden.

Ausblick: 100-prozentige Versorgung mit Erneuerbaren ist realistisch

Mit den Rahmenbedingungen durch das EEG ist eine gute und bisher sehr erfolgreiche Grundlage geschaffen worden, auf der nachhaltige Unternehmer (sustainable entrepreneure) ihre innovativen Geschäftsmodelle vorantreiben können und so durch zahlreiche Best-Practice-Beispiele immer wieder zeigen, was alles möglich ist. Die hierdurch erzeugte Dynamik ist bemerkenswert. Bisher haben die erneuerbaren Energien die meisten Erwartungen weit übertroffen und für relevante Job- und Technologieimpulse gesorgt. Die Energiewende ist also alles in allem ein großer Erfolg und findet auch international als Best-Practice-Beispiel große Beachtung.

Der Atomausstieg 2011 hat zudem gezeigt, dass ein Zurückrudern endgültig keine Alternative mehr darstellt. Die erreichten Erfolge bestätigen diesen Kurs und spornen zu weiteren technologischen Fortschritten der Green Economy, z. B. bei Wind, Photovoltaik und Speichertechnik, an.

Alles in allem ist die 100-prozentige Stromversorgung mit erneuerbaren Energien realistisch. In überschaubarer Zeit könnten die sinnvollen und existierenden „Win-Win”-Potenziale genutzt werden. Das richtige Zusammenspiel der oben grob skizzierten und weiterer Maßnahmen dürfte die eigentliche Herausforderung bei der Energiewende darstellen. Kernproblem sind die zahlreichen Partikularinteressen, die diesen Prozess erschweren und eine große Herausforderung für Wissenschaft, Unternehmen, Bürger und Politik darstellen.

Autorin: Karin Adolph

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