Professor Sabine Schlacke im Kurzinterview

Professor Sabine Schlacke von der Forschungsstelle für Europäisches Umweltrecht (FEU) an der Universität Bremen betont, dass Klimaschutzmaßnahmen auf allen Ebenen erforderlich sind - also international, national, regional und lokal.

Prof. Dr. Sabine Schlacke ist Professorin für Öffentliches Recht an der Universität Bremen. Ihre Forschungstätigkeit konzentriert sich auf das deutsche, europäische und internationale Umweltrecht sowie auf das Gebiet des Verwaltungsrechts. Sie leitet die Forschungsstelle für Europäisches Umweltrecht (FEU) der Universität Bremen. Seit Dezember 2008 ist sie Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU).

1. Welcher Aspekt des Klimawandels wird bei der öffentlichen Diskussion in Deutschland bisher vernachlässigt?
   
Aus meiner Sicht sollte die Dringlichkeit und Effektivität von Klimaschutzmaßnahmen stärker betont werden.

Der Aspekt, dass der Menschheit nur noch wenig Zeit bleibt, um auf die Klimaerwärmung einzuwirken, wird zu wenig betont. Die Klimawirkung unserer heutigen CO2-Emissionen wird aufgrund der hohen Lebensdauer von CO2 in der Atmosphäre extrem lange andauern. Nach den derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnissen ist davon auszugehen, dass uns nur noch ein kurzes Zeitfenster von wenigen Jahren offen steht, um eine irreversible Klimaerwärmung in den zukünftigen Jahrhunderten zu verhindern.

Weder das internationale noch das europäische Klimaschutzregime erreichen auch nur annähernd die erforderliche Wirksamkeit. Die im Kyoto-Protokoll vereinbarte weltweite Emissionsreduktion von Treibhausgasen von durchschnittlich fünf Prozent für den Zeitraum von 2008-2012 ist völlig unzureichend, um die globale Erwärmung langfristig auf 2 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Auch die Leistungsfähigkeit des Emissionshandels, welcher in der Europäischen Union ein maßgebliches Instrument zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen ist, kann angezweifelt werden. Denn die Reduktionserfolge der vergangenen Jahre sind in erster Linie auf den Niedergang der Altindustrien in den Ostblockstaaten sowie auf die periodisch wiederkehrenden Wirtschaftskrisen zurückzuführen.

Diese Unumkehrbarkeit der Folgen unseres heutigen Handelns verdeutlicht die Dringlichkeit vorausschauenden Handelns. Ambitionierte, verbindliche Reduktionsverpflichtungen sind daher ohne weitere zeitliche Verzögerung erforderlich.

2. Was wäre aus Ihrer Sicht die wirkungsvollste Klimaschutzmaßnahme auf internationaler Ebene?

Zunächst möchte ich hervorheben, dass aus meiner Sicht Maßnahmen auf allen Ebenen, also neben der internationalen auch auf der supranationalen, also der gemeinschaftsrechtlichen, sowie der nationalen, regionalen und lokalen Ebene erforderlich sind. Nur durch ein solches alle Ebenen umfassendes und miteinander vernetztes Handeln kann die erforderliche technische, gesellschaftliche, politische, ökonomische und rechtliche Transformation erfolgreich bewerkstelligt werden. Denn nur dann werden sämtliche Akteure von den Bürgern zu Unternehmen, von der öffentlichen Verwaltung zu Institutionen aller Art angesprochen, aufgefordert und mobilisiert, durch die entsprechende Umstellung ihres Verhaltens und ihrer Gewohnheiten der Erderwärmung und dem Klimawandel entgegenzusteuern.

Es existiert nicht nur eine wirkungsvolle Klimaschutzmaßnahme: Die notwendige Transformation vollzieht auch hier nur durch ein umfangreiches Bündel unterschiedlichster Instrumente, die nur gemeinsam ein hohes Klimaschutzniveau erreichen und gewährleisten werden. Bei der Entscheidung über die zu ergreifenden Klimaschutzmaßnahmen ist zu berücksichtigen:

  • die Reduzierung der Treibhausgasemissionen, die sich an den wissenschaftlichen Erkenntnissen orientieren muss,
  • die Substitution der fossilen Energieträger in sämtlichen gesellschaftlichen Bereichen durch nachhaltige Energieträger sowie
  • der begrenzte bzw. möglichst geringe Rohstoff- und Energieverbrauch im Sinne der Suffizienz.

 

3. Ich glaube nicht an wirkungsvolle Ergebnisse des Gipfels, weil...

... es die USA wohl nicht schaffen werden vor Dezember 2009 ein wirksames Klimaschutzgesetz zu verabschieden. Die USA werden in Kopenhagen kaum als Zugpferd für die dringend erforderlichen ambitionierten Reduktionsverpflichtungen auftreten können. Darüber hinaus zeigt sich bei den Vorbereitungen zur Weltklimakonferenz, dass die Staaten in den bekannten langatmigen Verhaltensmustern verharren, in denen komplexe Interessenlagen unter Berücksichtigung kurzfristiger nationaler Interessen austariert werden müssen. Die Erfolgsaussichten für den Abschluss eines Post-Kyoto-Abkommens müssen deshalb als sehr unsicher eingeschätzt werden. Umso wichtiger ist daher der Vorstoß der EU mit der Verabschiedung des Klimapaketes Anfang 2009 zu bewerten. Dieses umfasst die Festlegung der Effizienzsteigerung und des Ausbaus erneuerbarer Energien sowie Emissionsreduktionen bis 2020 um 20 Prozent mit der Aufstockungsoption um weitere zehn Prozent falls doch ein Post-Kyoto-Abkommen zustande kommt.

Falls der Abschluss eines Post-Kyoto-Abkommens in Kopenhagen 2009 scheitern würde, so bietet dieses Scheitern zugleich die Chance, mit der gebotenen Eile und Bedachtsamkeit über einen grundlegenden globalen Systemwechsel im Bereich des Klimaschutzes nachzudenken.

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