Klimaretter Biosprit?

Mais in den Tank? Während Autofahrer vor allem die Frage beschäftigt, ob Biosprit ihrem Fahrzeug schadet, sind Wissenschaftler um Mensch und Umwelt besorgt: Auch für sie kann der Anbau von Biomasse negative Folgen haben – und das nicht nur in Deutschland. Lesen Sie zwei Experten-Meinungen.

Laut Umweltbundesamt ist der Verkehr auf Deutschlands Straßen für 19,3 Prozent des deutschen CO2-Ausstoßes verantwortlich. Da liegt es nahe, den CO2-Gehalt der Autoabgase zu verringern, indem man Biokraftstoffe wie Ethanol beimischt. Doch die aktuelle Biosprit-Diskussion zeigt, dass die Verunsicherung an der Zapfsäule groß ist. Während Autofahrer vor allem die Frage beschäftigt, ob das sogenannte E10 ihrem Tank schadet, sind Wissenschaftler um die Umwelt besorgt: Schließlich kann der Anbau von Pflanzen zur Bioethanolproduktion negative Folgen für Mensch und Umwelt haben – nicht nur in Deutschland, sondern in der ganzen Welt.

Lesen Sie hier, was unsere Klima-Orakel-Experten auf Fragen zu diesem aktuellen Thema antworteten:

 

„Müssen für Biosprit Menschen in Entwicklungsländern hungern?“

(Lea Porzig, Sassnitz)

Prof. Dr. Dr. h.c. Alois Heißenhuber (TU München): „Die Weltmarktpreise von Grundnahrungsmitteln liegen heute höher als noch vor einigen Jahren. Dazu hat die Nutzung von Bioenergie beigetragen, weil Nahrungsmittel wie etwa Mais für die Kraftstoffherstellung (z. B. Ethanol) verwendet werden. In erster Linie wurde die jüngste Verschärfung des Hungerproblems jedoch durch eine ungünstigere Einkommenssituation der ärmeren Leute in den Entwicklungsländern verursacht.

Generell wirken sich Preissteigerungen von Nahrungsmitteln in Entwicklungsländern gravierender aus als in Industrieländern. Der Grund: Dort hat das Ausgangsprodukt bei Grundnahrungsmitteln einen viel höheren Anteil am Preis des fertigen Lebensmittels als bei uns. So beeinflusst der Maismehlpreis den Tortillapreis in Mexiko viel stärker als etwa der Getreidepreis den Brotpreis in Deutschland.

Bei der weiter steigenden Nachfrage nach Lebensmitteln und Energie auf der einen Seite und begrenzten Möglichkeiten für eine Angebotsausweitung bei Lebensmitteln und sogar einem sinkenden Erdöl-Angebot auf der anderen Seite muss sich die Welt langfristig auf steigende Preise einrichten – sowohl bei Nahrungsmitteln als auch bei Energie.

Ein steigender Energiepreis verstärkt wiederum den Trend zur Bioenergie. Deshalb kann Biosprit tatsächlich das Hungerproblem verschärfen. Auf jeden Fall führt es zu einer Verschärfung der sozialen Konflikte zwischen Ländern, aber auch innerhalb von Ländern.“

 

„Mais in den Tank: Ist Biosprit gut für das Klima?“

(Oliver Genzen, Passau)

Dr. Andreas Ostermeier (Umweltbundesamt): „Für die meisten heute auf dem Markt befindlichen Biokraftstoffe auf Basis nachwachsender Rohstoffe wie Mais oder Raps lautet die Antwort: Nein!

Wesentlich für diese Einschätzung sind Flächennutzungsänderungen. Besonders indirekte Flächennutzungsänderungen sind methodisch schwierig zu CO2 fassen, führen aber nach gegenwärtigem Kenntnisstand zu erheblichen, wenn auch schwer quantifizierbaren, Treibhausgasemissionen.

Ein Beispiel: Auf einer Ackerfläche in Deutschland wird seit Jahren Mais, Raps oder eine ähnliche Feldfrucht angebaut. Bislang hat der Bauer seine Ernte an einen Viehmäster oder eine Margarinefabrik verkauft. Im Jahr 2009 verkauft der Bauer den Mais oder Raps erstmals an einen Biokraftstoffproduzenten. Der Viehmäster oder die Margarinefabrik müssen ihre Rohstoffe deswegen aus anderen Quellen beziehen und den Mais beispielsweise importieren. Letztlich trägt dieser Prozess zu der gegenwärtig weltweit in großem Umfang stattfindenden Umwandlung von naturnahen Flächen wie Feuchtgebieten, (Ur-)Wald und Savannen in landwirtschaftliche Nutzflächen bei. Dabei werden große Mengen des in den naturnahen Böden gespeicherten Kohlenstoffs umgewandelt und als CO2 freigesetzt.

Aus der Umwelt- und besonders Klimaperspektive sind Biokraftstoffe daher in der Regel nur sinnvoll, wenn sie auf der Basis von Alt- oder Reststoffen produziert werden. Ein gutes Beispiel hierfür ist Biogas auf der Basis von Gülle. Um aber Stroh, Altholz oder andere biogene Reststoffe sinnvoll zu Biokraftstoffen verarbeiten zu können, sind innovative Konversionstechniken notwendig. Diese werden noch erforscht. Ob und wann hierbei marktfähige Techniken und Produkte entwickelt werden können, ist gegenwärtig noch offen.“

 
Hier geht es zu allen Fragen und Antworten des Klima-Orakels.

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