Dr. Imme Scholz im Kurzinterview

Dr. Imme Scholz vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik kritisiert, dass Fragen der internationalen Gerechtigkeit, die sich sowohl beim Klimaschutz als auch bei der Anpassung an die Klimawandel-Folgen stellen, bisher bei der öffentlichen Diskussion des Klimawandels vernachlässigt werden.

Dr. Imme Scholz ist seit 2009 stellvertretende Direktorin des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE). Zwischen 2002–2009 leitete sie am DIE die Abteilung „Umweltpolitik und Management natürlicher Ressourcen“ und baute dort das Team „Klimawandel und Entwicklung“ auf. Imme Scholz hat zahlreiche Veröffentlichungen zu Klimawandel und Entwicklung, Umweltpolitik in Entwicklungsländern und nachhaltiger Waldwirtschaft verfasst.

1. Welcher Aspekt des Klimawandels wird bei der öffentlichen Diskussion in Deutschland bisher vernachlässigt?
   
Die Fragen der internationalen Gerechtigkeit, die sich sowohl beim Klimaschutz als auch bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels stellen. Beim Klimaschutz geht es darum, die Energieversorgung von fossile auf erneuerbare Energieträger umzustellen und die Effizienz bei der Energienutzung drastisch zu erhöhen. Damit berührt Klimapolitik den Kern von Wirtschaft, und den Kern von Entwicklung, denn (fehlender) Wohlstand ist direkt mit (fehlendem) Zugang zu Energie verbunden. In den Industrieländern sehen wir die Kosten dieser Transformation als Beeinträchtigung unserer Wettbewerbsfähigkeit. Was wir nicht sehen ist, dass in einer Welt, die sich aus wenigen reichen und vielen armen Ländern zusammensetzt, die Mittel für diese Transformation sehr ungleich verteilt sind. Und die armen Länder interpretieren die Aufforderung, sich an dieser Transformation zu beteiligen, als faktische Blockade zu mehr Wohlstand, wenn die Aufforderung nicht mit entsprechender Unterstützung verbunden wird.

Diese Ausblendung der Gerechtigkeitsfrage ist zutiefst unrealistisch, denn das Kopenhagenabkommen erfordert Zustimmung von allen Unterzeichnerstaaten, nicht nur von den wichtigsten Emittenten, d.h. den reichsten Staaten. Und wollen wir die globale Erwärmung auf durchschnittlich 2 °C begrenzen, dann müssen wir auch die ärmsten Entwicklungsländer mit ins Boot nehmen: Berechnungen des WBGU (Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen) zeigen, dass selbst diese Länder noch in diesem Jahrhundert die Umstellung auf eine kohlenstoffarme Wirtschaft hinbekommen müssen - auch hier gibt es keine Spielräume mehr, um auf Kohlekraftwerke zu setzen.


2. Was wäre aus Ihrer Sicht die wirkungsvollste Klimaschutzmaßnahme auf internationaler Ebene?

Anspruchsvolle Ziele für die Minderung von Treibhausgasemissionen - für 2020, für 2050, für Industrieländer und für die größeren Emittenten unter den Entwicklungsländern, und für alle relevanten Quellen von Emissionen (Energie, Verkehr, Landwirtschaft, Gebäude, Wälder). Dann hätten wir gleiche Spielregeln auf den globalen Märkten für die großen Exporteure. Und wir würden einen wirkungsvollen Anreiz für den notwendigen Wettbewerb um die zukunftsträchtigsten Innovationen setzen.

3. Ich hoffe auf wirkungsvolle Ergebnisse des Gipfels, weil...

... die Einigkeit über Ursachen des Klimawandels, sein Ausmaß, seine voraussichtliche Entwicklung und was dagegen zu tun wäre auf internationaler Ebene noch nie so groß war wie heute. Vielleicht ist gerade deshalb das Pokerspiel um die Zugeständnisse, die jedes Land dafür zu machen bereit ist, so hart. Dabei halte ich gerade diese Sichtweise auf die Klimaverhandlungen für fatal: es geht nicht um ein politisches Machtspiel, in dem derjenige gewinnt, der den größten Vorteil bei geringster Eigenleistung herausgeholt hat. Realistisch sind Verhandler/innen, die erkennen, welche Bedeutung ökonomische und politische Ungleichheit zwischen den verhandelnden Ländern spielt, dies konstruktiv in ihre Strategien einbeziehen und ein Angebot entwickeln, das eine gemeinsame Zukunft sichert - nicht im Sinne von Zugeständnissen, sondern von gemeinsamen Investitionen.

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