5. BMU Fachtagung „Klimaschutz durch Abwärmenutzung“
Am 24. Oktober trafen sich Interessierte aus Politik, Forschung, Wirtschaft und Beratung zur Fachtagung „Klimaschutz durch Abwärmenutzung“ in Berlin. Ein Schwerpunkt dieser fünften Veranstaltung der Tagungsreihe: die Abwärmenutzung in den Bundesländern.

Die Fachtagung wurde eröffnet von Fabian Schmitz-Grethlein, der seitens des Hausherren VKU die rund 100 Teilnehmer*innen begrüßte. Dabei unterstrich Schmitz-Grethlein die Bedeutung der Abwärmenutzung, die er künftig als eine zentrale Säule der Energieversorgung der Städte sieht. Mit den Worten „Es gibt noch sehr viel zu tun in der Abwärme!“ übergab er an Berthold Goeke, der als Leiter der Klimaschutzpolitik beim Bundesumweltministerium die Abwärmenutzung in seiner Eröffnungsansprache in den klimapolitischen Kontext einordnete. Abwärmevermeidung und -nutzung bezeichnete er dabei als wichtigen Beitrag für einen erfolgreichen Kohleausstieg und er unterstrich die Notwendigkeit, die Infrastruktur in Deutschland für die Wärmeübertragung zu modernisieren. Goeke bescheinigte der Veranstaltungsreihe ein erfolgreiches Format und bekundete den Wunsch seines Ministeriums, die Reihe auch künftig fortzuführen.
Bevor die ersten Referenten in die Fachthemen einführten, stellte die Moderatorin Claire Range von der DENEFF das Online-Tool „Mentimeter“ vor, mit dem die Teilnehmer*innen während der Veranstaltung im Rahmen einer Umfrage mitmachen und Fragen an die Referenten einbringen konnten.
Abwärmenutzung in den Bundesländern
Der erste Block der Tagung befasste sich mit der Rolle der Bundesländer bei der Abwärmenutzung. Dazu stellte Jens Jäger von der dena einleitend das Projekt „Leuchttürme für energieeffiziente Abwärmenutzung “ vor. Im Projekt wurden 15 beispielhafte Anwendungsfälle begleitet, die pro Jahr insgesamt 170 GWh Energie einsparen und 33.000 Tonnen CO2 vermeiden konnten. Jäger sprach bei seinen Ausführungen auch einen Aspekt an, der im weiteren Verlauf der Tagung immer wieder genannt wurde und auch in den vergangenen Jahren wiederholt thematisiert worden ist: Abwärmeprojekte benötigen „Kümmerer“ auf regionaler Ebene, die die Projekte anstoßen und durchsetzen.
Es folgten Präsentationen zum Landeskonzept Abwärme aus Baden-Württemberg und zur industriellen Abwärmestudie aus Nordrhein Westfalen.
Harald Höflich vom Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft aus Baden-Württemberg stellte zuerst den Zeitplan des Landeskonzeptes vor, um danach die zentralen Maßnahmen des Konzeptes zu benennen. Unter anderem bestehen diese aus einer Erstberatung für Abwärmenutzungsvorhaben sowie einem Kompetenzzentrum „Abwärme“, das seine Aufgaben als Ansprechstation aber auch in der weiteren Vernetzung und Initialberatung potenzieller Akteure versteht. Ergänzt wurden die Ausführungen durch praktische Erfahrungen aus einem Abwärmenutzungsprojekt der Badischen Stahlwerke Kehl.
Höflich betonte abschließend, dass die Technik in der Regel „das kleinste Problem“ sei, aber dass sich ein „Anbahnungscoach“ um das Management kümmern sollte, damit die Abwärmeprojekte künftig häufiger gelingen.
Nordrhein-Westfalen war gleich mit zwei Landesvertretern erschienen. Nils Dering vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz stellte die Ergebnisse einer aktuellen Potenzialstudie zur industriellen Abwärme in NRW vor. Auszüge aus der Studie vermittelten nicht nur das große technisch verwendbare Abwärmepotenzial des bevölkerungsreichsten Bundeslandes (ca. 44 bis 48 TWh/a), sondern benannten auch die regionalen Hotspots, an denen sich dieses Potenzial ballt.
Franz Wilhelm Iven vom Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie stellte die Potenzialstudie daraufhin in den Gesamtkontext der Energieversorgungsstrategie des Landes Nordrhein-Westfalen und benannte 17 Handlungsfelder der Strategie. Er betonte die Bedeutung der Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen und hob dabei die Absicherung des Ausfallsrisikos bei Abwärmeprojekten sowie die Einstufung von Abwärme als CO2-freier Energieträger besonders hervor.
Die anschließende Frage- und Diskussionsrunde ging über in die erste Pause, die dem Austausch und der Vernetzung der Teilnehmer diente – ebenfalls ein wichtiges Anliegen der Fachtagungsreihe.
Workshops

Im zweiten Tagungsblock konnten die Teilnehmer*innen eines von zwei Themen auswählen, das dann im Rahmen eines Workshops vertieft wurde.
Im Workshop I, der von der DENEFF ausgerichtet wurde, diskutierten die Teilnehmenden, wie Konzepte zur Abwärmenutzung erfolgreich in die Tat umgesetzt werden konnten, welche Akteure dabei zusammengearbeitet haben und wie Hemmnisse aus dem Weg geräumt werden konnten. Dazu gab es Best-Practice-Beiträge von der DENEFF, den Stadtwerken Düsseldorf, der ÖKOTEC Energiemanagement GmbH, von Schräder Abgastechnologie und der E.ON Business Solution GmbH.
Der Workshop II befasste sich mit der Wärmewende in der Industrie und dabei insbesondere mit den Abwärmenutzungsoptionen als Beitrag zur Flexibilisierung und Sektorenkopplung. In diesem Rahmen wurde das BMU-Projekt "Wärmewende in der Industrie - WIN4Climate" vorgestellt, das sich mit Dekarbonisierung und Flexibilisierung der Wärmeerzeugung in der Industrie befasst hat. Diskussionsschwerpunkte in dem vom IREES und der Hochschule Karlsruhe angebotenen Workshop waren unter anderem die Entwicklung technischer Konzepte sowie die Bewertung und Hemmnisanalyse aktueller Rahmenbedingungen.
Nach der Mittagspause wurden die Ergebnisse und Diskussionsbeiträge aus den Workshops für alle Teilnehmer zusammengefasst. Als ein Schwerpunkt ergab sich dabei der Umgang mit Informationen: So wurde der Wunsch eingebracht, die Abwärmepotenziale von Unternehmen zu veröffentlichen. Auch Transparenz bezüglich der Energieträgernutzung auf Verbraucherseite wurde als hilfreich dargestellt. Weiterhin wurde eine bundesweite Projektdatenbank vorgeschlagen, um alle bisherigen Erkenntnis besser zusammenzuführen und schneller in die Praxis umsetzen zu können. Die anschließende Diskussionsrunde endete mit einem Appell von Roland Berger von ÖKOTEC an die Zuhörer: „Trauen Sie sich einfach, Abwärmenutzung klappt. Mehr Mut!“
Abwärme in der multivalenten Wärmeversorgung
Im Block drei der Fachtagung stand am Nachmittag die „multitvalente Wärmeversorgung“ im Mittelpunkt, also die Möglichkeiten, unterschiedliche Abwärmequellen mit unterschiedlichem Temperaturniveau technisch nutzbar zu machen. Dazu präsentierte Olaf Kruse von der REHAU AG + Co erfolgreiche Projekte für die Einspeisung von Industrieabwärme in Wärmenetze am Beispiel der Gemeinden Bonndorf und Meitingen. Er benannte Stolpersteine sowie Erfolgsfaktoren und verdeutlichte die Vorteile leicht zu verlegender Kunststoffrohre, wie sie auch REHAU selbst fertigt.
Im anschließenden Vortrag der UHRIG Energie GmbH erläuterte Stephan von Bothmer Optionen, Wärme aus Abwässern energetisch zu nutzen. Neben erfolgreichen Umsetzungsprojekten lernten die Zuhörer auch das große, bisher wenig beachtete Potenzial von Kanalnetzen als vollwertige Wärmenetze kennen, dessen bereits vor Ort liegende Infrastruktur gleichsam zum Wärmetransport als auch zur Abkühlung industrieller Abwässer mit zeitgleicher Energierückgewinnung genutzt werden kann.
Abschließend stellte Felix Uthoff vom AGFW einen Leitfaden zur Erschließung von Abwärmequellen für die Fernwärmeversorgung vor. Der Leitfaden, an dem viele, auch auf der Tagung anwesende Abwärmeakteure aktiv mitgewirkt haben, bietet eine Sammlung aktueller Herausforderungen und Lösungsansätze bei der Konzeption und Planung von Abwärmesystemen. Auch wurde für den Leitfaden ein konkreter Vorschlag zur Definition des Begriffes „Abwärme“ erarbeitet, um diese von Kraft-Wärme-Kopplung und erneuerbaren Energien zu unterscheiden und der in der nachfolgenden Fragerunde eingehend diskutiert wurde.
Förderung der Abwärmevermeidung und Nutzung

Abgerundet wurde die Tagung wie in den vergangenen Jahren mit einem Blick auf aktuelle Förderinstrumente.
Ohne diese, so wurde bereits zuvor mehrfach betont, sind Abwärmeprojekte vielfach noch immer nicht wirtschaftlich durchführbar.
Ronny Kay vom Bundeswirtschaftsministerium stellte dazu ausführlich das neue Förderprogramm „Energieeffizienz in der Wirtschaft“ vor, das im Prinzip alle bereits aus der ausgelaufenen „Abwärme-Offensive“ des BMWi bekannten Förderoptionen für Abwärmenutzung in einem neuen technologieübergreifenden Förderprogramm mit weiteren Förderschwerpunkten, wie Querschnittstechnologien oder erneuerbare Prozesswärme vereint. Kay betonte, dass Abwärmeprojekte zumeist eine hohe Fördereffizienz erreichen.
Zusammenfassung und Schlussworte
Zum Abschluss des Tages bedankte sich Moderatorin Range bei allen Referent*innen und Teilnehmer*innen. Als abschließende Statements wurden unter anderem die beiden Forderungen genannt, Abwärme rechtlich mit erneuerbaren Energien gleichzustellen und den vorgesehenen CO2-Preis „auf ein relevantes Niveau“ zu erhöhen. Auch die Risikominimierung für Abwärmeprojekte wurde als „heißes Thema“ genannt und von Range als ein Schwerpunkt für eine mögliche Folgeveranstaltung im kommenden Jahr gesehen.
Anschließend präsentierte Range die Ergebnisse der Mentimeter-Umfrage unter den Teilnehmenden. Es wurden die Kosten als wichtigster Grund für die Nutzung von Abwärme und ein steigender CO2-Preis als wichtigster Treiber für künftige Abwärme-Projekte genannt. Bei der Befragung wurde zudem deutlich, dass auch nicht-industrielle Abwärmequellen (wie beispielsweise Abwässer und Rechenzentren) auf zunehmendes Interesse unter den Teilnehmern stoßen. Für kommende Tagungen wünschten sich die Anwesenden unter anderem auch die Vorstellung neuer, bisher weniger beachteter Abwärmenutzungsoptionen – insbesondere auf kommunaler Ebene – sowie eine Vertiefung der Diskussion des Themas der Risikoabfederung für die unterschiedlichen Akteure.
Mit dem Konsens „Abwärme ist ein unverzichtbarer Baustein der Energieeffizienzpolitik in Deutschland“ wurden die Teilnehmer*innen der fünften Abwärmefachtagung verabschiedet.
Ergänzend…

…zu den Beiträgen der Fachtagung wurde zu einer Fachexkursion nach Japan geladen, bei der Kooperations- und Geschäftsmöglichkeiten bezüglich der industriellen Abwärmenutzung in dem asiatischen Industrieland identifiziert werden sollen. Organisiert und begleitet wird die Exkursion von der ECOS GmbH; das BMU fördert den Austausch. Stattfinden wird die Fachexkursion im Mai 2020, als Dauer werden vier bis fünf Tage veranschlagt. Mehr Information zur Exkursion finden Sie auf der Website von ECOS Consult.
Weiterhin wurde auf eine Veranstaltung der TU Berlin und der Watergy GmbH hingewiesen:
Als neue Verwertungs- und Vertriebsmöglichkeit im Bereich Abwärmenutzung untersucht die TU Berlin und die Watergy GmbH zusammen mit Europäischen Partnern im Rahmen des EU Horizont 2020 Projekts „H-DisNet, Intelligent Hybrid Thermo-Chemical District Networks“ die erweiterte Abwärmenutzung durch Thermo-Chemische Netzwerke. Hierzu findet am 18. November 2019 von 14 – 16.15 Uhr ein öffentlich zugängliches Webinar für Fachpublikum in englischer Sprache statt. Neben einer Einführung in die Thematik erfolgt die Vorstellung verschiedener, Demonstrationsanlagen in Berlin Adlershof, in der Region Zürich sowie in Newcastle (UK).
Weitere Informationen finden Sie auf der Projektwebsite. Anmelden können Sie sich hier .
Das Saarbrücker Institut für ZukunftsEnergie- und Stoffstromsysteme (IZES gGmbH) hatte die Veranstaltung organisiert, die im Rahmen der Kampagne „Mein Klimaschutz" der gemeinnützigen co2online GmbH im Auftrag des Bundesumweltministeriums stattfand.
Das Programm der Fachtagung und die Präsentationen der Referenten können auf der Website des IZES heruntergeladen werden.
Autoren: Patrick Hoffmann (IZES), Stefan Heimann (co2online)