4. BMU Fachtagung „Klimaschutz durch Abwärmenutzung“

Bereits zum vierten Mal trafen sich am 18. Oktober interessierte Teilnehmer aus Politik, Forschung und Wirtschaft zur Fachtagung „Klimaschutz durch Abwärmenutzung“ in Berlin. Die Veranstaltung zog in diesem Jahr noch mehr Teilnehmer an. Abwärmenutzung ist eine Schlüsseltechnologie zum Energiesparen und leistet damit einen Beitrag zum Klimaschutz.

Abwärenutzung in einer Anlage in Artesia(c) Robin Sommer | unsplash.com

Bei der Eröffnung der vierten Fachtagung zu Klimaschutz durch Abwärmenutzung verdeutlichte Moderatorin Claire Range von der DENEFF die Relevanz des Themas: Weltweit gehen mehr als Zweidrittel der eingesetzten Energie als Abwärme verloren, das Klimaschutzpotenzial ist gewaltig. Über 130 interessierte Teilnehmer aus Politik, Forschung und Wirtschaft hatten sich am 18. Oktober 2018 in den Räumen des VKU-Forums in Berlin versammelt. Das Saarbrücker Institut für ZukunftsEnergie- und Stoffstromsysteme (IZES gGmbH) hatte die Veranstaltung organisiert, die im Rahmen der Kampagne „Mein Klimaschutz" der gemeinnützigen co2online GmbH im Auftrag des Bundesumweltministeriums stattfand.

Mehr Teilnehmer

In diesem Jahr hatten sich nochmals deutlich mehr Interessenten angemeldet, als bei den bereits ebenfalls gut besuchten drei vorangegangenen Veranstaltungen. Das Thema arbeitet sich aus der Nische heraus. Angesichts des Potenzials der Abwärmenutzung ist es dafür auch höchste Zeit. „Wir brauchen mehr Tempo beim Klimaschutz. Energiesparen ist der schnellste Weg“, stellte Berthold Goeke, Leiter Klimaschutzpolitik des Bundesumweltministeriums, in seiner Eröffnungsrede fest. Der Ausstoß von 60 Millionen Tonnen CO2 könne in Deutschland vermieden werden, wenn Abwärme konsequent genutzt würde, bilanzierte Goeke und forderte, dass Deutschland beim Klimaschutz wieder zurück auf die Zielgerade finde: „Mit der angekündigten Energieeffizienzstrategie muss Energiesparen in allen Sektoren zum Geschäftsmodell werden. Abwärmenutzung ist eine Schlüsseltechnologie.“ Nach diesen motivierenden Worten nannte Goeke abschließend die Schwerpunkte des Tages: Industrielle Abwärmepotenziale und außerbetriebliche Lieferbeziehungen.

Erfolgreiche Förderprogramme

Klimaschutz durch Abwärmenutzung(c) co2online.de

Der erste Block der Tagung befasste sich mit den bestehenden Förderangeboten für Abwärmenutzung und Wärmenetze. Dazu stellten Dr. Ron Lipka und Ronny Kay vom Bundeswirtschaftsministerium unter dem Titel „Wärmenetze im Wandel“ die Erfahrungen aus dem Förderprogramm „Modellvorhaben Wärmenetzsysteme 4.0“ und dem als Abwärmeoffensive bekannten „KfW-Energieeffizienzprogramm – Abwärme“ vor. Beiden Programmen wurden eine sehr positive Marktreaktion und eine große Fördernachfrage bescheinigt. Zudem wird davon ausgegangen, dass auf das KFW-Abwärmeprogramm jährliche Energie-Einsparungen in Höhe von 2,6 Terawattstunden zurückzuführen sind. Weiterhin wurde die Novelle der europäischen Erneuerbaren-Energien-Richtlinie (RED II) erläutert, die auf eine Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien abzielt und Anreize zur Einbeziehung von Abwärme in die Wärmeversorgung setzt. Die anschließende Frage- und Diskussionsrunde ging über in die erste von vier Pausen, die dem Austausch und der Vernetzung der Teilnehmer diente – ebenfalls ein wichtiges Anliegen der Fachtagung.

Potenziale, Wert und Rechtliches

Im zweiten Tagungsblock wurden Wärmelieferbeziehungen beleuchtet. In seinen Erläuterungen zu den Potenzialen und Hemmnissen attestierte Sebastian Blömer vom Heidelberger Institut für Energie- und Umweltforschung der Abwärme im Mittel-und Niedertemperaturbereich ein wirtschaftlich erschließbares Potenzial zur Netzeinspeisung von 80 bis 90 Prozent. Dazu stellte er das Verbundvorhaben "Netzgebundene Nutzung industrieller Abwärme - NENIA“ vor, in dessen Rahmen eine flächendeckende Standort-Datenbank zu deutschlandweit vorhandenen Abwärmepotenzialen erstellt wurde. Einem theoretischen Abwärmepotenzial von 62 Terrawattstunden gasförmiger Abwärme stellt er ein technisch nutzbares Potenzial von bis zu 27 Terrawattstunden netzgebundener Abwärme gegenüber. Im Anschluss führte Armin Kühn von der Deutschen Energie-Agentur dena aus, welchen Wert Abwärme besitzt. Die Wärme als solche ist zwar kostenlos – wie sie in einer Wärmelieferbeziehung zwischen Erzeuger, Netzbetreiber und Abnehmer berechnet bzw. gestaltet werden kann, hängt aber sehr stark von Temperatur, Lastprofil und Distanz ab. Beim vertraglichen Abschluss von Lieferbeziehungen und der Gestaltung der Preise stellen sich natürlich auch Rechtsfragen, auf die Dr. Norman Fricke vom AGFW e.V. einging. Fricke stellte den Rechtsrahmen vor, in dem sich Abwärmeanbieter und –nutzer bewegen und ging auf Besonderheiten bei der Vertragsgestaltung zwischen Abwärmeakteuren ein. Den Abschluss des Tagungsblocks bildete die Fernwärmeversorgung der Hamburger HafenCity Ost , die Christian Hein von der Aurubis AG vorstellte und mit der eine jährliche CO2-Einsparung von mehr als 20.000 Tonnen realisiert werden soll.

Fernwärme auch ohne Leitungen

Rauch aus einem Schornstein bei blauem Himmel(c) Yurok Aleksandrovich | Fotolia.com

In Block drei der Fachtagung standen am Nachmittag Erschließungsstrategien und außerbetriebliche Nutzungsoptionen von industrieller Abwärme im Fokus. Klaus Vogel vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW machte hier den Anfang, indem er erste Ergebnisse der Potenzialstudie Industrielle Abwärme NRW vorstellte. Unter anderem wurden Hemmnisse bei der Umsetzung von Abwärmenutzungsoptionen vorgestellt, die im Rahmen einer landesweiten Unternehmensbefragung ermittelt wurden. Unternehmen sehen sich dabei in der Regel nicht selbst als Initiatoren von Abwärmeprojekten, sondern teilen diese Rolle den Kommunen oder regionalen Versorgern zu. Außerdem bestehen bei den Unternehmen zwar großes Interesse an der Abwärmenutzung, aber nach wie vor auch ein großer Informationsbedarf, wie zwei weitere Resultate der Untersuchungen belegen. Prof. Dr. Marco Braun von der Hochschule Karlsruhe referierte über betriebsübergreifende Wärmesenken-Potenziale zur Nutzung industrieller Abwärme. Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt INTERFLEX4CLIMATE bildeten die Grundlage dieses Vortrags, indem u.a. auch auf bestehende Hemmnisse bei der Erschließung von Abwärmenutzungsoptionen durch bereits vorhandene Versorgungsstrukturen eingegangen wurde. Der dritte und letzte Beitrag des Tagungsblocks kam von Dr. Martin Schichtel von der Nebuma GmbH aus Saarbrücken. In seinem Vortrag über keramische Wärmespeicher erläuterte er, wie Abwärme mit Temperaturen über 1.000°C ohne Versorgungsnetz in mobilen Speichermodulen bereits heute wirtschaftlich gespeichert und transportiert werden kann.

Angeregte Diskussionen

Im vierten Block des Tages diskutierten die Teilnehmer in drei Workshops angeregt zu den Schwerpunktthemen der vorangegangenen Tagungsblöcke. Die Workshops wurden von der DENEFF, der dena und der Gesellschaft zur innovativen Abwärmenutzung gemeinsam mit der IZES gGmbH gestaltet und moderiert. Ein wichtiger Aspekt der Diskussionen war die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung: Lebenszykluskostenanalysen können die Wirtschaftlichkeit von Abwärmeprojekten besser abbilden als Amortisationsmodelle, da letztere vor allem das Risiko beschreiben. Es wurde weiterhin betont, dass die gesamte Abwärme eines Produktionsprozesses berücksichtigt werden sollte, nicht nur die Abwärmepotenziale in Abgasströmen. Mehrere Teilnehmer gaben zu bedenken, dass die finanzielle Belastung durch EEG-Umlagen auf selbsterzeugten Strom aus Abwärme aber auch die zum Teil sehr geringen Energiekosten für energieintensive Unternehmen als Hemmnis hinsichtlich der Verstromung von Abwärme anzusehen sind. Abschließend wurde der Wunsch nach verlässlichen, langfristig kalkulierbaren politischen Rahmenbedingungen im Bereich der Abwärmenutzung als eines der wichtigsten Gründe dafür identifiziert, dass viele potenzielle Abwärmeakteure nach wie vor eine abwartende Haltung einnehmen.

Vernetzung und Austausch wird fortgesetzt

Zum Abschluss des Tages attestierte Moderatorin Range den Beiträgen ein durchgehend hohes Niveau und freute sich über das engagierte Interesse der Teilnehmer. Neben bereits genannten Aspekten brachte sie die Idee ins Plenum ein, Fonds zur Risikoabsicherung von Abwärmeprojekten aufzusetzen. Weiterhin hob sie die wachsenden Teilnehmerzahlen der Tagung und die steigende mediale Aufmerksamkeit für das Thema Abwärmenutzung hervor und betonte, dass die wichtige Vernetzung der Akteure im Rahmen der Tagungsreihe sehr gut gelinge. „Nächstes Jahr treffen wir uns wieder!“ verabschiedete Range die Teilnehmer – denn letztlich waren sich alle einig: Abwärme ist ein unverzichtbarer und wirksamer Baustein der Energieeffizienzpolitik in Deutschland.

Die fünfte Abwärmekonferenz wird voraussichtlich im Herbst 2019 stattfinden.

 

Hinweise der Redaktion:
Die Präsentationen der Referenten können auf der Website des IZES heruntergeladen werden.
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