Wärmewende in Privathaushalten: Erfolgreiche Aktivierung des Verbrauchers

Tanja Loitz, Geschäftsführerin von co2online, Berlin im Gespräch mit Melita Tuschinski, Herausgeberin des Experten-Portals EnEV-online.de

In Berlin fanden kürzlich die Berliner Energietage 2016 statt. Am 11. April lud das Bundesbauministeriums (BMUB) zur Vortragsreihe „Klimaschutz braucht Wärmewende mit mehr Energieeffizienz zum Erfolg“ ein. Tanja Loitz, Geschäftsführerin von co2online referierte dabei über "Erfolgsfaktoren für gelebten Klimaschutz: die Wärmewende in privaten Haushalten". Wir baten sie für die EnEV-online Leser auf einige Interview-Fragen zu antworten.

Frau Loitz, Sie sind Geschäftsführerin von co2online. Bitte stellen Sie sich unseren Lesern kurz vor, welches Ihre Ziele und Aufgabengebiet sind.

co2online informiert seit mehr als zehn Jahren vor allem Endverbraucher über den Klimawandel. Mit onlinebasierten Tools zeigen wir, wie jeder Einzelne CO2-Emissionen und Energie einsparen kann und wer ihm dabei vor Ort hilft. Im Monat suchen mehr als 300.000 Besucher auf unseren Internetseiten Informationen und Hilfestellung rund um die Themen Strom- und Heizkostensparen, Modernisierung, Neubau und Finanzierung und wo man Experten finden kann.

Was verstehen Sie unter "Wärmewende in Privathaushalten"?

"Wärmewende in Privathaushalten" umfasst für mich folgende Bereiche:

  1. Modernisierung ankurbeln: 80 Prozent der Heizkessel in Deutschland sind veraltet. Durch ausbleibende Dämmmaßnahmen gehen weitere wertvolle Potenziale verloren
  2. Gut umgesetzte Modernisierungsmaßnahmen: Unsere Auswertungen von erfolgten Modernisierungen zeigen, in vielen Fällen wird das technische Potenzial nicht ausgeschöpft. Hier sind die Experten aus Handwerk, Energieberatung und Planung gefragt, die in ihren Berufsständen für Qualitätsstandards sorgen müssen, die wir dem Endverbraucher kommunizieren können. Parallel empfehlen wir mit Monitoring-Tools wie dem Energiesparkonto den Nutzern laufend Feedback über erfolgte Maßnahmen zurück zu spielen.
  3. Optimal laufende Heizsysteme: Die neue Heizanlage muss auf die neue Situation angepasst werden. Bei unserem Feldtest "Wirksam Sanieren" hat nach einer Dämmmaßnahme beispielsweise nur jeder Zehnte einen hydraulischen Abgleich durchführen lassen.
  4. Aber es heißt auch etwas Verzicht bzw. ein angepasstes Nutzerverhalten und eine effiziente Nutzung von kostbaren Ressourcen. Also auch bei der Frage nach der Wahl des Energieträgers, oder wie wird die Wärme erzeugt, die ich für mein Haus benötige.
  5. Und hier haben wir insgesamt ein Problem: Rate, Tiefe und auch die Wirkung von Sanierungsmaßnahmen sind zu gering! Wir müssen uns neben vielen anderen Herausforderungen die Frage stellen: Wie kann der Verbraucher aktiver werden?

Für Sie ist der Verbraucher kein "unbekanntes Wesen". Wieso?

Es gibt zahlreiche Studien über die Gruppen von Verbrauchern, welche Hemmnisse dazu führen, eine Modernisierung nicht umzusetzen etc. Die Motive der Verbraucher mögen unterschiedlich sein, warum sie sich mit dem Thema Energieeffizienz / Klimaschutz befassen. Aber die Informationssuche ist immer sehr ähnlich. Es geht immer als erstes darum, Verständnis zu erzielen – Einordnung des Themas, warum ist es wichtig etwas zu tun? Welchen Handlungsspielraum habe ich. Dann möchte ich die passende Lösung finden – Vor- und Nachteile, Bewertungen, was muss ich bei der Umstellung beachten? Darauf folgt die Frage nach den Kosten (Produktkosten, Einsparung, Förderung, lohnt sich die Umstellung?) und danach die Suche nach Experten – Wer hilft mir weiter? Und zuletzt "Was hat es gebracht", überprüfen. Im Idealfall bin ich begeistert, erzähle es meinem Nachbar und bei dem beginnt die Informationssuche wieder von vorne.

Wie gehen Sie vor um das Verständnis der Verbraucher zu erzielen?

Wir nutzen aktuelle Aufhänger wie die Stromabrechnung, Jahreszeiten, große Imagekampagnen der Ministerien oder auch den Klimagipfel in Paris, um Verbraucher für das Thema Klimaschutz und Energiesparen weitergehend zu interessieren. Sehr schnell geht es bei uns auf die Ebene: Was heißt das für mich persönlich? Welchen Beitrag kann ich durch mein Handeln leisten? Was kann ich tun?

Können Sie uns ein Beispiel für eine Selbstoptimierung beschreiben?

Ein weiteres Stichwort ist hier auch „Gamification“ – übersetzt könnte dies „Verspielung“ bedeuten. Deutschland ist das Land der Selbstoptimierer. Jeder Dritte App-Nutzer hat mindestens eine Fitness/Gesundheits-App auf dem Smartphone. Wir versuchen das für das Thema Energiesparen zu übertragen. Mit unserer EnergieCheck App bekomme ich beispielsweise monatliches Feedback automatisch "Herzlichen Glückwunsch, Dein Stromverbrauch ist 12 Prozent geringer als im Vormonate". Hier entwickeln wir weitere Ansätze. Wichtig dabei: Pflicht und Monotones langweilen, also eine rein unterjährige Verbrauchsanzeige gewinnt noch keinen Kuchen für gesparte Tonnen CO2. Es muss mehr Wettbewerb hinein. Wir arbeiten bereits mit Benchmarks im Energiesparkonto: So stehe ich im Vergleich zum Durchschnitt, oder "he ich gehöre zu den Top 10 Prozent" aber da geht noch mehr. Was brauchen wir dafür? Smart Meter Roll out für Strom, Gas und Fernwärme und Komponenten, die miteinander kommunizieren.

Wie kann man passende Maßnahmen finden?

Mit unserem ModernisierungsCheck oder StromCheck kann ich beispielsweise anhand meiner Verbrauchsdaten sehen, welche Maßnahmen bezogen auf meine Ausgangssituation infrage kommen und wie viel CO2, kWh und Geld ich sparen kann. So bekomme ich bereits eine erste Orientierung.

Die Kosten spielen für Verbraucher eine maßgebliche Rolle. Wie kalkulieren Sie die Kosten, damit Sie ihre Bedenken zerstreuen?

Unsere Tools berücksichtigen bei Wirtschaftlichkeitsbetrachtung aktuelle Förderprogramme, Energiepreisentwicklungen und Lebensdauer der Bauteile. Wir differenzieren bei den Ausgaben zwischen Instandsetzung und energetischer Modernisierung. Dennoch, gerade in Zeiten fallender Energiepreise sind wir noch stärker gefragt, andere Motive für Energieeffizienz in den Vordergrund zu rücken. In den letzten Monaten hatten wir die meisten Nutzeranfragen zu Förderprogrammen für mehr Einbruchschutz. Bei dem Thema Sicherheit spielt Geld eine untergeordnete Rolle. Energieeffizienz müssen wir hier Huckepack nehmen.

Wie können Verbraucher kompetente, verlässliche Fachleute finden?

Wir haben für die Expertensuche eine eigene Datenbank "Rat und Tat" mit Experten vor Ort aufgebaut, bei der wir uns nach Qualifizierungsstandards der Branche richten. Besonders intensiv arbeiten wir mit unseren Botschaftern für den hydraulischen Abgleich zusammen. Über 60 qualifizierte SHK-Fachbetriebe vor Ort geben hier Klimaschutz und Energieeffizienz ein Gesicht. Gern nehmen wir hier weitere auf.

Was für Erfolge konnten Sie soweit verzeichnen?

Unsere Handwerker-Botschafter begleiten wir mit regionaler Pressearbeit und Online Marketing. Hier kommen "Positivbeispiele" von regional ansässigen Betrieben gut an. Auf einem unserer letzten Handwerker-Treffen berichtete ein Botschafter, dass er über die Berichterstattung zusätzliche Aufträge im hohen fünftstelligen Bereich geniert hat.

Wie kann man Verbraucher letztendlich erfolgreich motivieren?

Feedback, Begleiten und Anerkennung. Also beispielsweise mit dem Energiesparkonto aufzeigen, wie viel Heizenergie ich eingespart habe. Mit Push-Nachrichten über das Handy immer wieder erinnern: He, Du wolltest doch noch etwas tun. Und motivierten Energiesparern auch Raum geben, von ihren Erfolgen zu berichten, wie beispielsweise bei unseren Praxistests (aktuell Praxistest Solarthermie) oder unserem Wettbewerb Energiesparmeister mit Schulen.

Wie wird ein Dialogpfad von Erfolg gekrönt?

Wir sind dann erfolgreich, wenn wir unsere Nutzer motivieren, den nächsten Schritt zu tun und selber aktiv zu werden. Das kann eine neue Heizung sein, die Dämmung des Dachbodens, der Verzicht auf den Kühlschrank im Keller oder eine qualifizierte Energieberatung in Anspruch zu nehmen. Im Dialogpfad greifen wir die richtige Information, zu richtigen Zeit am richtigen Ort auf. Holen die Verbraucher auf dem Informationslevel ab, wo sie sich gerade befinden.

Was raten Sie Architekten, Planern und Energieberatern?

Weiterhin Qualitätsstandards in der Branche zu fordern, die auch für den Verbraucher kommunizierbar sind, sich zu vernetzen und Dienstleistungen mitzuentwickeln, die den Verbraucher dauerhaft bei dem Thema Energieeffizienz begleiten. beispielsweise mit einer Energieberatung vor den Maßnahmen ist es ja nicht getan, sondern auch nach der Umsetzung dem Verbraucher aufzuzeigen, ob die Potenziale der Technik ausgeschöpft wurden und was als nächstes ansteht. Hier stellen wir gern unser Energiesparkonto als Monitoringtool zur Verfügung.

Frau Loitz, herzlichen Dank für das aufschlussreiche Gespräch!

Das Interview wurde von Melita Tuschinski, Freie Architektin, geführt und ist im EnEV-Newsletter April 2016 erschienen (enev-online.de).

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