Bürgerenergiewende & Energiegesellschaften

Welche Chancen bietet die Energiewende für Bürger? Über die Bürgerenergiewende und Energiegesellschaften. Von Dr. E. Thomas Banning, dem Vorstandsvorsitzenden des Stromanbieters NATURSTROM AG.

Dr. Thomas E. Banning

Dr. Thomas E. Banning, NATURSTROM AG.

Sprechen wir zur Abwechslung über Chancen. Die Energiewende ist in den vergangenen Monaten so gründlich zerredet worden, dass mancher sie inzwischen abschreibt. Dabei können wir stolz sein auf die bisherige Entwicklung: Ein Viertel des deutschen Stroms stammt schon heute aus Wind, Sonne und Co. Deutschland wird auch 2012 mehr Strom exportieren als einführen. Und durch eingesparte Brennstoffimporte, vermiedene Umweltschäden und die inländische Wertschöpfung übersteigt der volkswirtschaftliche Nutzen des Ökostromausbaus dessen Kosten bei Weitem.
Die größte Chance der Energiewende wird indes zu wenig beachtet. Sie liegt in einem umfassenden Strukturwandel: weg von der zentralistischen Struktur der Großkraftwerke, betrieben durch das Oligopol der Energiekonzerne, hin zu einem dezentralen System von kleinen, verbrauchsnahen und untereinander vernetzten Ökokraftwerken in der Hand von Bürgern, Kommunen und mittelständischen Akteuren. Dieser Wandel ist bereits im Gang – und seine wesentliche Triebfeder sind engagierte Bürger, die vor ihrer Haustür etwas bewegen wollen.

Die Hälfte des Ökostroms im Netz stammt aus Bürgerhand

Dass die Energiewende nicht in Berlin gemacht wird und auch nicht von den Energiekonzernen, sondern von den Bürgern, verdeutlichen folgende Zahlen: Die Hälfte der bislang installierten Ökostromerzeugungskapazität wurde von Privatleuten und Landwirten ans Netz gebracht, dagegen nur ein Sechstel von Energieversorgern. Die Bürger investieren sowohl als Eigenheimbesitzer in ihre Photovoltaik-Kleinanlagen als auch, im Zusammenschluss mit Gleichgesinnten, in größere Anlagen. Ziel dieser Gemeinschaftsprojekte ist es meist, zusammen eine Photovoltaikanlage auf einem Schul-, Behörden- oder Industriedach zu betreiben. Es gibt aber auch zunehmend Windparks und Nahwärmenetze in Bürgerhand.

Energiegesellschaften: Jeder kann mitmachen

Mehr als 80.000 Menschen engagieren sich bereits in solchen Bürgerenergiegesellschaften, die Zahl der Energiegenossenschaften in Deutschland hat sich 2012 wie schon im Vorjahr deutlich erhöht. Mehr als 150 Genossenschaften wurden gegründet, über 600 sind es nun insgesamt. Jeder kann sich in solch einer Gesellschaft einbringen – von der Mitsprache bei den General- oder Gesellschafterversammlungen über die Projektmitarbeit bis hin zur Übernahme von Funktionen. Diese vielfältigen Beteiligungsmöglichkeiten machen den Reiz von Bürgerenergiegesellschaften aus. Es spielt dabei keine Rolle, in welcher Rechtsform sie organisiert sind, ob genossenschaftlich oder als Kommanditgesellschaft.

Bürgerenergiegesellschaften haben zwei klare Pluspunkte. Der erste: ihre Ortsverbundenheit. Sie sind Plattform für eine offene Diskussion über die Gestaltung der Energiewende vor Ort. Damit führen sie sowohl zu mehr Mitgestaltung als auch zu mehr Akzeptanz. Bei der Windparkplanung vor Ort mitzureden, von den späteren Erlösen der Stromeinspeisung zu profitieren und sich eine saubere Stromversorgung zu sichern, ist eben attraktiv. Wer möchte nicht lieber mitmischen, anstatt einfach auswärtigen Investoren zuzuschauen?

Der zweite Pluspunkt: Ein Großteil der Wertschöpfung bleibt in der Region. Denn Bürgerenergiegesellschaften sind viel eher als externe Investoren und Projektplaner dazu bereit, Aufträge – beispielsweise für Erd- und Fundamentarbeiten, Umwelt- oder Windgutachten – an lokale Handwerks- und Ingenieursbetriebe zu vergeben. Zur Finanzierung von Bürgerenergieprojekten werden häufig Banken aus der Region eingebunden, außerdem profitieren die Gemeinden von den Gewerbesteuereinnahmen. Nicht zuletzt verbleiben auch die Erträge der Stromvermarktung vor Ort – bei den Genossenschaftsmitgliedern bzw. Gesellschaftern.

Ökostrom kann direkt an Bürger in der Region geliefert werden

Ein zusätzlicher Schritt kann darin bestehen, den produzierten Strom nicht wie allgemein üblich über das EEG einzuspeisen, sondern ihn im Kontext eines hochwertigen Ökostromprodukts direkt an Bürger, Unternehmen und Institutionen in der Region zu liefern. Schon heute eröffnet das EEG die Möglichkeit, unter Erfüllung sehr anspruchsvoller Kriterien Ökostrom aus EEG-vergütungsfähigen Anlagen außerhalb des EEG-Umlagesystems direkt an Endkunden zu vermarkten. Diese Direktvermarktung bietet insbesondere für Bürgerwindgesellschaften die Perspektive, attraktive Vermarktungserlöse zu erzielen und zugleich den Bürgern in der Region eine sichere und bezahlbare Versorgung zu bieten.

Die Bürgerenergiewende: Das Wissen ist bereits vorhanden

Viele junge Initiativen, die sich unter dem Eindruck von Fukushima und der politisch proklamierten Energiewende gegründet haben, stehen noch ganz am Anfang. Die Vernetzung untereinander und der Austausch mit beratenden Partnern sind daher enorm hilfreich. Schließlich muss niemand das Rad neu erfinden. Regionale Versorger verfügen zwar meist nur über wenig Know-how im Bereich der erneuerbaren Energien, haben dafür aber wichtige Kompetenzen im Netzbetrieb. Die NATURSTROM AG wiederum ist als bundesweit aktiver Ökostromanbieter nicht nur erfahren in der Projektplanung und im Betrieb von Ökokraftwerken. Als einziger bundesweiter Haushaltskundenversorger beliefern wir unsere Kunden mit Ökostrom mehrheitlich aus über 250 Wind- und Wasserkraftwerken, die ansonsten über das EEG einspeisen und abrechnen würden. Derzeit begleiten wir etwa 20 Bürgerenergiegesellschaften auf ihrem Weg und haben in der Vergangenheit bereits unterschiedlichste Ökostromanlagen gemeinsam mit Bürgern auf den Weg gebracht.

Es ist der Schwung von der Basis, der die Energiewende in den letzten Jahren getrieben hat und auch heute noch antreibt – er sollte nicht durch politische Weichenstellungen zugunsten der überkommenen Oligopolstrukturen unterwandert werden. Die Energiewende ist eine Bürgerenergiewende. Diese Gleichung muss auch in Zukunft aufgehen.

Autorin: Karin Adolph

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